Ein nack­tes Ohr ...

Schon wieder Sonntagskater, fremde Menschen in der WG, der Kopf dröhnt, und dann steht auch noch die Maman deines besten Freundes in der Wohnung, und wäre das alles nicht genug, streunert auch noch die Liebe deines Lebens durch die Tür. Äh, welche Tür?
Da hilft nur eins: Weitersaufen. Äh, nein: Rohe Gewalt. Nein, noch besser: Ein teuflischer Plan. Denn dummerweise hat sich die beste Freundin in denselben Typen verschossen. Also alle ab ins Romantikhotel, die Freundin auf einem Adventure Trip mit einer fetten Möhre ablenken und den Mitbewohner mit einem fake Luftschloss an der Côte d’Azure hinters Licht führen, bis das Fass komplett überläuft. Oder doch eher die Vodka-Flasche?

Derart kurios und überspitzt mutet Rebekka Kricheldorfs Bearbeitung des klassischen Boulevard-Theaters an (Feydeau kennen Sie, oder?). Sie nimmt uns mit durch eine pointengeladene Farce in Vaudeville-Manier, voller Verwechslungen, hanebüchenen Drahtziehereien, Seitensprüngen en masse, alles ganz roh!
Als Inspiration für die Inszenierung dieser ordinär-frivolen Farce dienen die normativen Sitcoms der 90er-Jahre und deren kritische Auseinandersetzung mit dem Alltäglichen. Und so flimmern auch Gags aus der Film- und TV-Welt über die Bühne.
Dies alles bringt uns fast zwanglos zur Frage von Unterhaltung und Spass in Zeiten von Krise und Krieg. Aber im Endeffekt zählt bei dieser Form der Komödie die Geste und der gut getimte Slapstick mehr als der Inhalt. Rhythmus, Timing und Inbrunst übertrumpfen exakte politische Einordnung. Schliesslich schiesst dieses Stück und ihre Figuren gegen alles und jede*n, was die Inszenierung von Matthias Huser und Ensemble mit Hilfe von Schlagzeug-Beats, virtuosen Kostümwechseln und Pointenkaskaden deutlich ausspielt.

Dauer: 120 Minuten